Nachruf Dr. h.c. Klaus Ketzler

: Ein Leben für die Nierenpatienten Viele Nierenpatienten in Deutschland verdanken ihm indirekt ihr Leben und vielen hat er durch sein unermüdliches Engagement zu einer deutlich besseren Lebensqualität verholfen. Visionär und mutig war er die treibende Kraft beim Aufbau einer flächendeckenden Dialyseversorgung und bei der Schaffung funktionierender Strukturen für die Durchführung von Organtransplantationen in Deutschland. Jetzt ist der Gründer und langjährige Vorstandsvorsitzende des KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e.V. am 21. Oktober 2017 im Alter von 82 Jahren verstorben.

Dr. h.c. Klaus Ketzler
Dr. h.c. Klaus Ketzler

Vision und Tatkraft eines mutigen Einzelnen beenden den Versorgungsnotstand dialysepflichtiger Patienten in Deutschland

Klaus Ketzler, am 27.09.1935 in Görlitz geboren, war nach seiner Banklehre in Arnsberg/Westfalen zunächst einige Jahre in einer Bank in Dortmund tätig und wurde 1961 Verbandsgeschäftsführer bei der Treuhandgemeinschaft Deutscher Baumwollwebereien und verwandter Industriezweige, eine Aufgabe, die er noch bis 1976 wahrgenommen hat. In dieser Zeit, im Jahr 1969, wurde Klaus Ketzler erstmals mit dem Begriff „chronische Nierenversagen“ konfrontiert. Ein Freund und Verbandskollege war schwer nierenkrank und drohte zu versterben, weil es nicht genügend Dialyseplätze gab. Jährlich wurden damals ca. 3000 Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz dialysepflichtig, aber nur ca. 400 Patienten konnten auf den wenigen Plätzen, die es nur in großen Kliniken gab, versorgt werden. Die Folge war eine für alle Beteiligten unerträgliche Selektion. Dies führte zu einem regelrechten Kampf um einen Dialyseplatz. Auch Klaus Ketzler hatte sich zunächst mit großem Einsatz um einen Dialyseplatz für seinen Freund bemüht und als dies fehlschlug nach einer alternativen Lösung gesucht. Dabei hatte er erfahren, dass in England und in den USA das Heimdialyseverfahren, also die Dialysebehandlung in der eigenen Wohnung, erfolgreich eingesetzt wurde. In Deutschland war die Heimdialyse zu diesem Zeitpunkt noch kein Thema. Für seinen Freund wäre die Heimdialyse aber eine Rettungsmöglichkeit. In dieser Situation entschloss sich Klaus Ketzler Geld zu sammeln, um seinem Freund eine Heimdialyse zu ermöglichen. Um dieser Aktion eine Struktur zu geben, gründete er „aus dem Geist der Betroffenheit“ heraus, wie der Publizist Thomas Kielinger in seiner Broschüre „Dialyse in Deutschland - die Gründerjahre“ schreibt, das gemeinnützige „KfH Kuratorium für Heimdialyse e.V.“. Als weitere Gründungsmitglieder konnte er Ärzte aus dem Frankfurter Universitätsklinikum, den Privatdozenten Wilhelm Schoeppe, Dr. Karl-Martin Koch und Prof. Dr. med. Joachim Frey sowie Georg Kehm (Vorstand bei der Hessischen Landesbank), Dr. Paul-Robert Wagner (Mitglied des Vorstands der Gerling-Konzern Versicherungs-Beteiligungs-AG) und Dr. med. Othard Raestrup (Vorstandsmitglied der Alten Leipziger Lebensversicherung), gewinnen. Bei den hohen Kosten für die Errichtung und das Betreiben eines Heimdialyseplatzes, eine gebrauchte „Künstliche Niere“ kostete damals etwa 50.000,- DM, stellte sich bald heraus, dass der Spendenweg nicht zum Erfolg führen würde. Der Vereinszweck war ja nicht nur die Rettung des Freundes von Klaus Ketzler, sondern es sollten allen Patienten in und um Frankfurt geholfen werden. Als einzigen Weg, um an das benötigte Geld zu kommen, sah Klaus Ketzler eine Kreditaufnahme bei den Banken an. Diese standen diesem Ansinnen jedoch sehr skeptisch gegenüber, weil mit einer „Künstlichen Niere“ kein Kredit zu sichern sei. Auch die Krankenkassen verhielten sich bei einer Vergütung der Heimdialyse sehr reserviert. Schließlich konnte dann doch bei einer Bank Interesse geweckt und ein Kredit für drei „Künstliche Nieren“ erlangt werden. Anschließend galt es, bei den Krankenkassen das anfängliche Misstrauen abzubauen. Klaus Ketzler gelang es dabei, nicht nur Verständnis, sondern auch Sympathie für die Versorgung von dialysepflichtig gewordenen Patienten zu gewinnen und ein akzeptables Entgelt auszuhandeln. Richtig gefordert war das Projekt, nachdem Anfang 1970 die Illustrierte „Stern“ über das KfH berichtet hatte. Aus der ganzen Bundesrepublik wandten sich nierenkranke Patienten an das KfH mit der Bitte eine Behandlungsmöglichkeit zu erhalten. Dies überschritt die anfänglichen Möglichkeiten jedoch bei weitem. Unter der Führung von Klaus Ketzler nahm das KfH diese Herausforderung an und wurde sehr bald auch in Köln, Münster, Göttingen und Hannover tätig. Dafür wurden natürlich sehr schnell große Kredite benötigt. Aus den anfänglichen 150.000 DM für die ersten drei Dialysemaschinen wurden nach wenigen Monaten mehrere Millionen DM. Dafür mussten weitere Banken gewonnen werden. Dies gelang Klaus Ketzler und die Versorgung dialysepflichtiger Patienten mit der Heimdialyse konnte schnell ausgebaut werden, wobei ein umfangreiches Netzwerk an ärztlichen Bereitschaftsdiensten, Auffangplätzen in Kliniken, Logistik und Technik u.a.m. inbegriffen war. Auch die sozialen Aspekte der Patientenbetreuung waren stets von großer Wichtigkeit. Übrig blieb aber eine Versorgungslücke für Patienten, die mangels Wohnfläche, Partner oder wegen eines instabilen Krankheitszustandes nicht heimdialysefähig waren. Und wie sich herausstellte, war dies die Mehrzahl. Klar wurde auch, dass es den Kliniken nicht gelingen würde, entsprechende Kapazitäten zu schaffen. Außerdem brauchten diese Patienten zum überwiegendem Teil auch nicht in den teuren Kliniken behandelt zu werden, sondern konnten unter „limited care“ – Bedingungen dialysiert werden. Auch diesem Problem nahmen sich Klaus Ketzler und seine KfH-Mitstreiter an und entschlossen sich dazu, Einrichtungen für eine ambulante Zentrumsdialyse zu schaffen, die die Lücke zwischen Kliniksdialyse und Heimdialyse schließen sollte. So wurde 1973 in Kooperation mit dem Universitätsklinikum in Frankfurt ein erstes Dialysezentrum geschaffen, weitere folgten in Kaiserslautern, in Greven bei Münster, in Köln-Merheim und in Würzburg. Bereits 1976 standen 15 vom KfH betreute Dialysezentren in der alten Bundesrepublik zur Verfügung, wo die Patienten unter heimdialyseähnlichen Bedingungen, aber unter Betreuung durch Ärzte und Krankenpflegepersonal dialysiert werden konnten. 1985 waren es dann schon 70. Dem Beispiel des KfH folgend sind ab Mitte der 1970er Jahre auch private und andere gemeinnützige Dialysezentren entstanden, sodass man etwa ein Jahrzehnt nach der KfH-Gründung von einer flächendeckenden Versorgung mit Dialyse in der damaligen Bundesrepublik ausgehen konnte.

Eine neue Herausforderung stellte sich nach der Wiedervereinigung, als bekannt wurde, dass in der ehemaligen DDR nur einer von drei Patienten mit Dialysepflicht behandelt werden konnte. Es wäre nicht Klaus Ketzler, wenn er sich nicht sofort dafür engagiert hätte, diesen Versorgungsmangel zu beheben. In kürzester Zeit hat das KfH unter seiner Führung -meist in Fertigbauweise- moderne Dialysezentren im Auftrag und mit Unterstützung der Bundesregierung für hunderte von Patienten errichtet und erheblich dazu beigetragen, dass die neuen Bundesländer rasch zum Versorgungsniveau des Westens aufschließen konnten.

Entscheidende Impulse zur Förderung der Organtransplantation

Nachdem Klaus Ketzler 1976 auf Drängen der Banken hauptamtlich den Vorstandvorsitz im KfH übernommen hatte, konnte er sich verstärkt einer weiteren Herzensangelegenheit widmen, der Förderung der Nierentransplantation. Bis dahin waren in der Bundesrepublik im Jahresdurchschnitt nur etwa 100 Nierentransplantationen durchgeführt worden. Es stellte sich die Frage, ob nicht durch organisatorische und personelle Hilfen von außen der Transplantation weitere Impulse gegeben werden könnten, die zu einer nachhaltigen Steigerung der Zahl an Transplantationen führen könnten. Unterstützt von den bayerischen Krankenkassen und erheblichen Mitteln aus dem KfH wurde unter der Leitung von Prof. Walter Land in München eine neue Organisationsform für die Organspende entwickelt und erprobt. Das Modell war so erfolgreich, dass es auch die anderen Transplantationszentren annehmen wollten. Dies fand die volle Unterstützung von Dr. Ketzler und seinen Mitstreitern im KfH. Dazu war es aber nötig, dass das KfH 1976 seine Satzung um den Satzungsauftrag „Nierentransplantation“ erweiterte und so zum „KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation“ wurde. Die Entwicklung der Nierentransplantation und auch der anderen Organtransplantationen verlief dann so günstig, dass vom KfH die Entscheidung getroffen wurde, die „Deutsche Stiftung Organtransplantation“ (DSO) als gemeinnützige Stiftung zu gründen. Schwerpunktaufgabe dieser Stiftung war und ist die Förderung der Organtransplantation insgesamt, also nicht nur der Nierentransplantation. Mit dem neuen Transplantationsgesetz wurde die DSO dann im Jahr 1997 eine selbstständige Organisation.

Stets im Fokus: Nierenkranke Kinder

Ein besonderes Anliegen war Klaus Ketzler die Versorgung dialysepflichtiger und nierentransplantierter Kinder. Bereits 1977 entstand auf seine Initiative hin am Universitätsklinikum Essen das erste Kinderdialysezentrum. Daraus ist ein deutschlandweites Netzwerk von 16 Kinderdialysen entstanden. In diesen Behandlungseinrichtungen werden Kinder und Jugendliche aber nicht nur mit der Dialyse behandelt, sondern auch nach einer Nierentransplantation weiterversorgt. Ergänzt werden diese Zentren durch den „Ederhof“, ein Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche im Osttiroler Ort Stronach, das auf Initiative des Transplantationsmediziners Prof. Rudolf Pichlmayr und Klaus Ketzler geschaffen wurde. Dort können Kinder und Jugendliche eine Rehabilitationsmaßnahme durchführen oder auch gemeinsam mit ihren Eltern Ferien verbringen. Schließlich hat Klaus Ketzler nach seinem offiziellen Ausscheiden aus dem KfH auch den Verein „Dialysekinder e.V.“ ins Leben gerufen und ihn bis zuletzt geführt. Mit den eingeworbenen Spenden und den Erlösen aus regelmäßigen Benefizkonzerten im unterfränkischen Iphofen wird vor allem das Projekt „Therapeutisches Reiten“ auf dem Birkenhof in Espenschied/Rhein-Taunus finanziert.

Engagement für Nierenpatienten auf allen Ebenen

Nicht unerwähnt bleiben darf auch seine „KfH-Stiftung Nothilfe für Nierenkranke“ die er im Jahr 2001 nicht nur initiiert, sondern auch den finanziellen Grundstock dafür gelegt hat. Als er nach seinem Ausscheiden als Vorstandsvorsitzender noch einmal in dieser Funktion tätig werden musste, hat er auf sein Gehalt verzichtet und das Geld für die Unterstützung notleidender Dialysepatienten zur Verfügung gestellt. Andere Aktivitäten, an denen Klaus Ketzler maßgebend beteiligt war, seien hier nur kurz genannt: die Ermöglichung der Lithotrypsie an einigen Universitätskliniken, der „Arbeitskreis Organspende“ und die KfH-Stiftung Präventivmedizin. Schließlich auch seine kulturellen Aktivitäten wie der Veranstaltung von Benefizkonzerten, die Herausgabe von CDs und die Unterstützung literarischer Projekte, allesamt in einem Zusammenhang mit „seinen“ Nierenpatienten.

Der Name Klaus Ketzler steht aber nicht nur für all diese Errungenschaften, sondern auch für einen außergewöhnlichen Menschen, der stets bescheiden, redlich und uneigennützig war. Auf der Suche nach einer Beschreibung seiner Person ist man immer wieder geneigt auf die Laudatio vom Februar 1974 zurückzugreifen, die der damalige Dekan der Medizinischen Fakultät an der Universität Münster, Professor Reinhard Marxkors anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an den erst 38-jährigen Klaus Ketzler hielt. Darin heißt es:

„Durch seine Ideen hat Herr Ketzler bewiesen, dass ein Einzelner durchaus in der Lage ist, allgemeine Gesellschaftsprobleme (…) zu lösen. Mit unermüdlichem Enthusiasmus hat (er) Skepsis und Widerstände überwunden (und) ein klassisches Beispiel dafür gegeben, wie ein aus humanitären Beweggründen engagierter Laie mit schöpferischer Phantasie und Tatkraft dem Allgemeinwohl dienen kann.

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